Die neue Dauerausstellung des Hessischen Landesmuseums in Kassel greift in verschiedenen Bereichen ihrer Präsentation auf die Sammlung des Deutschen Tapetenmuseums zurück. Um ein Bild der bürgerlichen Wohnkultur vom frühen 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert zu vermitteln, wird zeitgenössisches Mobiliar vor der typischen Wandbekleidung ausgestellt. Aus den reichhaltigen Beständen des Deutschen Tapetenmuseums wurden passende Tapeten ausgewählt, die mit Unterstützung der Marburger Tapetenfabrik und mithilfe eines digitalen Verfahrens nachgedruckt und inzwischen auch angebracht wurden.
Für den Raum „Aufbruch und Krisen“ in der 2. Etage des Hessischen Landesmuseums in Kassel, in dem auch die kulturhistorische Zeit des Biedermeiers um 1800 thematisiert wird, wurde eine hellblaue Tapete mit getreppten Dreiecken im Stil einer Jalousie aus der renommierten Kasseler Manufaktur von Johann Christian Arnold ausgesucht. Während die Original-Tapete aus Bogenpapier – einzelnen, ungefähr quadratischen Papierbögen – besteht, wurde für den Nachdruck modernes Rollenpapier gewählt, welches das Anbringen an der Wand erleichtert. Die stilistisch passende Bordüre, ebenfalls ein Stück aus der Manufaktur Arnold, ist im Original in einem dunklen Blauton gehalten. Hier musste eine kleine Veränderung vorgenommen werden: der Farbton der Bordüre wurde dem Hintergrundton der Tapete angepasst. Wie im Vergleich zu sehen ist, ist die Angleichung an den Türkiston gelungen. Die Nische zeigt zukünftig mit dem passenden Mobiliar jene behagliche Wohnlichkeit, die im Zeitalter des Biedermeiers favorisiert wurde.
- Der Nachdruck der Biedermeier-Tapete aus der Manufaktur Arnold wird von einem Mitarbeiter der Firma WEGASwerbung zurechtgeschnitten.
- Die originale Draperie-Bordüre aus der Manufaktur Arnold imitiert ein dunkelblaues Samtgewebe mit Goldborte und Posamentenarbeiten.
- Die Bordüre wurde in der Marburger Tapetenfabrik vor dem Druck farblich der Tapete angepasst.
In der Gründerzeit war Repräsentation das Stichwort. Für die Nische, in der ein hellbraunes Seidenkleid und ein vergoldeter Pfeilerspiegel präsentiert werden, wurde eine dem damaligen Blumenkult entsprechende Tapete mit einem farbenfrohen Blumenmuster ausgewählt. Im Handdruckverfahren hergestellt und inspiriert von Gewächshäusern und Wintergärten, brachte die Blumentapete dekorativen Naturalismus in die Räume. Versehen mit einer goldfarbenen Bordüre mit Gittermotiv, die auch im digitalen Nachdruck einen edlen goldenen Schimmer erhalten hat, stellt sie einen stimmungsvollen Hintergrund für das Kleid und den Spiegel dar.
- Beim Aufbringen der Bahnen ist höchste Präzision gefordert.
- Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
- Die Gitterbordüre ist ein echtes Highlight: Für den Druck wurde ein gold-glänzendes Papier gewählt.
Die letzte der drei Tapeten befindet sich im Raum „Aufbruch in die Moderne“: die florale Jugendstiltapete des Künstlers Richard Riemerschmid nach einem Entwurf aus dem Jahre 1908 wurde von der Firma Erismann & Cie in Breisach im Schwarzwald im Maschinendruck produziert. Von dieser Tapete besitzt das Deutsche Tapetenmuseum lediglich ein Fragment in der Größe 50 mal 47 cm. Für die digitale Reproduktion als Rolle stellte diese Größe jedoch keine Schwierigkeit dar: durch den modernen Scan und das Zusammenfügen des Rapportes ist die Tapete nun als vollständiges Muster an der Wand zu bewundern. Passend zu dem in diesem Raum ausgestellten Jugendstilmobiliar ist die Tapete ein dekoratives Element der „Moderne“, die in künstlerischer Ausarbeitung eine Vereinfachung der Formen anstrebte und heutzutage nichts von ihrer Aktualität verloren hat.
- Aus einem ca. 50 mal 50 cm kleinen Fragment…
- …wird dank digitaler Reproduktion eine vollständige Wandverkleidung.
Der aufwendige Nachdruck der Tapeten wurde durch die großzügige Unterstützung der Marburger Tapetenfabrik ermöglicht.
Autorin: Kathrin Prinz, wissenschaftliche Volontärin Deutsches Tapetenmuseum